Recherche - Oh, du mein Freud. Oh, du mein Leid!


Wissen ist Macht, nichts Wissen macht aber auch nichts.

 

Ein Satz, zwei Wahrheiten.

 

Aber erst einmal „Moin“ und „Willkommen zurück“. Schön, dass Sie wieder da sind.

 

Doch nun zum Thema:

 

Ich finde ja, dass eine Geschichte und seine Protagonisten meines Erachtens nach niemals allein für sich stehen, wenn ein Buch mich richtig in seinen Bann ziehen soll.

Denn das Faszinierende sind nicht allein die Figuren oder ihre Schicksale an sich, sondern auch die Welt, in die diese eingebettet sind. Ein größeres Ganzes, wenn Sie so wollen, welches durch seine Beschaffenheit und seine Regeln quasie als dritte Säule des Erzählens in wechselseitiger Beziehung zu den beiden Ersteren steht.

 

Dies stellt mich und eventuell auch Sie als Schreiber*in vor eine wichtige Wahl.

Spielt die Geschichte, die es zu erzählen gilt in der Realität, wie wir sie kennen, in einer fiktiven Welt, vollkommen losgelöst von der unsrigen oder in einem Mischmasch aus beidem.

Dies zu entscheiden ist deshalb so wichtig, weil der Teilsatz „Wissen ist Macht“ hier einen besonderen Stellenwert einnimmt.

Besonders, wenn die Handlung in der unsrigen Dimension des Seiens angesiedelt ist.

 

Warum?

 

Na, weil sich dann reale Gegebenheiten, geschichtliche Hintergründe, physikalische sowie chemische Zusammenhängen und wahrlich existente geografische Lagen explizit auswirken und diese im Sinne der Logik einer Handlung nicht ignoriert werden können.

 

New York liegt nicht neben Berlin.

Den Zweiten Weltkrieg gab es.

Wasser wird zu Eis ab einer bestimmten Temperatur.

 

Diese Fakten gilt es zu beachten und umso mehr dies getan wird, umso mehr zieht es die Leser*innen in die Geschichte hinein, da Logikfehler vermieden werden, über die man stolpern könnte und die einen im schlimmsten Falle aus dem Bann der Erzählung herausreißen. Bei mir ist es jedenfalls so und ich denke, ich bin damit nicht alleine.

 

Für mein erstes Buch wählte ich zum Beispiel Handlungsorte in Deutschland, dem Rest Europas und auch in Syrien, die wirklich existieren.

Zudem entschied ich mich für einen parallelen Zeitrahmen unserer Erde in der kürzlichen Vergangenheit vor Corona und hatte meine Handlung somit in ein gewisses Korsett gezwängt, welches nur mit ein paar Kniffen gewisse Freiheiten in der Erzählung zuließ.

Denn ich dachte mir, trotz Fantasy- und Science-Fiction-Einschlag, dass es doch sehr doof wäre, wenn meine Geschichte einmal jemand liest, der sich auskennt und sich dann veräppelt fühlt oder mir pure Unwissenheit vorwirft.

Also hieß das, ich musste mir einiges geschichtliches Wissen unserer kürzeren Vergangenheit noch einmal aneignen, um diese auch richtig darzustellen.

Zudem las ich mich in ein paar physikalische Themen ein, um den Kräften, die in meinem Buch aufeinanderprallen und sich vor allem auf die Manipulation physikalischer Verhältnisse beziehen, dennoch eine gewisse reale Note zu verleihen.

 

Es war mit der Zeit mein Anspruch geworden, dass alles halbwegs so wirkt, als ob es wirklich so passieren könnte, was ich mir erdacht hatte.

Und ich glaube, es hat meinem Buch sehr gutgetan, in diese Recherche so viel Zeit investiert zu haben.

 

Kommen wir aber nun zu dem Satzteil: „Nichts wissen macht nichts.“

 

Und auch dieser Satz ist wahr.

In zweierlei Hinsicht sogar.

 

Erstens:

Noch nie war es so einfach gewesen wie heute, sich Wissen anzueignen.

Das Internet ist voll davon.

YouTube, Wikipedia und GoogleMaps sind nur drei Beispiele für Anlaufstellen bezüglich Nachforschungen.

Fast zu jedem Thema gibt es zudem spezialisierte Seiten.

Sie können zu fast allem die entsprechende Fachliteratur erwerben und soweit ich weiß gibt es tatsächlich noch so etwas wie Bibliotheken.

 

Dennoch möchte ich den Rat geben, sich nicht nur auf eine Quelle zu verlassen, sondern ruhig auch mal quer zu lesen.

Vielleicht ist es meine universitäre Ausbildung, welche mir nachhängt oder mein eigener Anspruch, aber jede Quelle und jede Information, die man nutzt sollte einmal überprüft werden.

Es liegt aber allein an uns als Autor*innen, wie viel Energie wir in diesen Bereich der Erstellung unserer Geschichten investieren möchten. Nicht jeder muss gleich ein Programm schreiben, um die richtige Flugbahn eines Raumschiffes um den Mars und zurück zur Erde zu berechnen wie Herr Weir (Der Marsianer). Wobei ich das wirklich beeindruckend finde.

 

Doch auch wenn man es kleiner hält, frisst das Ganze natürlich immens an Zeit und verliert manchmal sogar aus den Augen, was man eigentlich erzählen wollte.

 

Aber Sie können es auch ganz anders machen und umgehen das Ganze.

 

Was uns zu Zweitens bringt:

 

Denn uns als Schreibende steht es durchaus frei, unsere eigenen Welten und Regeln zu erschaffen.

Dies erscheint wahrscheinlich im ersten Moment sehr verlockend, muss man sich doch nicht an die Beschränkungen unserer Realität halten.

Aber glauben Sie mir, der Schein kann trügen.

 

Woher ich das weiß?

 

Nun, ich sitze gerade an meiner dritten Geschichte, welche zum Teil in einer frei erfundenen Welt spielt.

Erst dachte ich: Super, kein ewiges Nachschlagen mehr!

Doch dann kam es.

Ganz schleichend.

 

Ok, wie lange braucht mein Charakter von A nach B?

Warum geht das und das andere nicht?

Warum herrschen gewisse politische Gesetze?

Was ist eigentlich der geschichtliche Backround, des Ganzen? Es muss ja Gründe geben, warum die Welt ist, wie sie ist.

 

Um so mehr ich darüber nachdachte, umso mehr wurde mir bewusst, dass es nicht reichte, einer erdachten Welt einen schönen Namen zu geben, ein paar Orte, Umgebungen und Völker hinzuzufügen und meinen Protagonisten munter drauf losmarschieren zu lassen.

 

Nein.

 

Ich erkannte für mich, und ja, es ist wohl keine neue Erkenntnis, dass meine Welt, jede Welt, egal ob erdacht oder Real, Regeln braucht, nach der sie funktioniert.

Historie, warum etwas ist, wie es ist, einfach, damit schon allein das ganze Drumherum an Tiefe gewinnt und sich auf seine ganz eigene Weise Real anfühlt.

Zudem bedeuten Regeln, das auch nicht alles geht, wodurch wiederum Spannung in bestimmten Situationen geschaffen wird.

Das darf man nicht vergessen.

 

Nun galt es also nicht nur im Internet nachzulesen oder in Bücher zu schmökern.

Ich musste mir alles selber erarbeiten, erdenken und tue dies bis heute. Jedenfalls so lange meine Geschichte nicht fertig ist.

Und das ist wesentlich komplizierter, als man meinen möchte.

 

Wenn man sich schon allein darum Gedanken macht, warum  es ein bestimmtes Schwert gibt und aus welchem Material dieses besteht und woher es seinen eventuellen Namen hat, dann zieht dies schon alleine einen ellenlangen Rattenschwanz an weiteren Fragen nach sich, welcher ausgearbeitet werden muss und wiederum auf andere Bereiche der Geschichte Auswirkungen hat.

 

Dies ist eine ganz andere Form der Recherche, da diese allein im eigenen Bewusstsein stattfindet.

Ich kann nun sehr viel besser nachvollziehen, was es für Tolkien, Frau Rohling, Herrn Simmons oder Herrn Herbert bedeutete, ihre Geschichten zu schreiben. Welcher Anstrengung dies über all der Zeit bedurfte und dieses Wissen flöhst mir nun noch viel mehr Respekt vor ihren Werken ein, als vorher schon.

 

Denn sich ganze Welten selber zu schaffen, ihre Regeln festzulegen und dabei darauf zu achten, dass der logische Kontext und Focus für die eigene Geschichte nicht verloren geht - Ich sag es ihnen, man könnte verrückt werden.

 

Sie glauben nicht, wie glücklich ich war, als ich zum Groben mit dem Backround meiner Welt fertig war und endlich mal wieder einfach ein nur Kapitel schreiben konnte.

 

Ich beneide in dieser Hinsicht eine Freundin von mir.

Diese schreibt wunderbare Bücher im Rahmen des Cthulhu-Mythosses.

Vieleicht kennen Sie Sonia?

Natürlich bleibt auch ihr nicht erspart, ab und zu zu recherchieren, wo was wann wie spielen könnte. Doch ihr steht schon ein fertiges Universum zur Verfügung, welches sie in- und auswendig kennt und daher viele Gegebenheiten einfach aus diesem Fundus ziehen kann.

Sie hat so zu sagen durch das Lesen der Bücher von Herrn Lovecraft und anderen Vorrecherche betrieben.

 

Ich sage ihnen dürfte ich einmal ein Buch im Star Trek – Universum schreiben, es wäre zu dem, was ich jetzt tue, ein Kinderspiel.

 

Doch ich schweife ab. Halten wir einmal also fest:

 

Ja, es kann sehr müßig und anstrengend sein, für ein Buch zu recherchieren. Es kann regelrecht Arbeit sein, wenn man eigentlich nur eine Geschichte erzählen möchte.

 

Doch mit jedem Hintergrund, der ihnen beim Schreiben bewusst ist, wird ihr Werk besser.

Es bekommt mehr Fleisch auf die Rippen und fühlt sich so an, als ob die Geschichte in einer größeren zusammenhängenden Welt spielt, die man als Leser vielleicht auch abseits der Geschichte erkunden möchte.

 

Stichwort: Fortsetzung.

 

Daher kann ich nur empfehlen, sich durchaus die Zeit dafür zu nehmen.

 

Dennoch - Zwei kleine Hinweise, die mir persönlich doch stark geholfen haben.

 

Erstens:

Verlieren Sie sich nicht in der Recherche.

Ja, es ist gut, wenn man sich um Details Gedanken macht. Aber man kann sich auch sehr schnell darin vergraben.

Nicht jede gute Geschichte braucht ein Silmarillion.

 

Zweitens:

Egal, ob Sie sich eine eigene Welt erdenken oder reale Informationen zusammentragen, bedenken Sie immer, dass es gut ist, diese Informationen zu haben, um sie in die Geschichte mit einfließen zu lassen.

Doch lassen Sie nicht alles auf die Lesenden einprügeln oder erschlagen Sie diese damit.

Denn auch in diesem Fall gilt unser anfänglicher Satz, in einer etwas anderen Form.

 

Wissen macht spaß, nichts wissen ist aber auch manchmal dem Lesen sehr zuträglich.

 

Ich persönlich finde es in diesem Zusammenhang daher recht schön, wenn man zum Beispiel mit Fußnoten arbeitet.

So haben die entsprechenden Leser*innen durchaus die Möglichkeit, selber sich in bestimmte Themen zu vertiefen, die in der jeweiligen Geschichte nur angerissen werden, wenn sie dies wollen, ohne das der Text langatmig wird und die Handlung so ins Stocken kommt.

 

Wie halten Sie es mit der Recherche? Ich würde mich freuen, davon zu lesen.

 

In diesem Sinne,

 

qonwI‘

 


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