Runner Runner


Auszug:

 

Der Abgrund breitete sich Stück für Stück vor ihm aus, als die Hangartore sich lautlos öffneten. Wie ein Samtteppich aus dem schwärzesten Schwarz präsentierte sich nun das Weltenall in all seiner Pracht.

In weiter Ferne glühte hellweiß und kalt das Licht von Tarons Stern und jagte seine Strahlen seitlich an der Oberfläche des riesigen Gasplaneten vorbei, der nur noch knapp 17.000 Kilometer entfernt hing, 

wie eine Weihnachtskugel der ihr Baum abhanden-

gekommen war. 

Blau-weiße Massen waberten auf seiner Oberfläche, zogen sich zusammen, umtanzten sich, flossen wieder auseinander und bildeten hier und da gigantische Wirbel, deren Ausmaße mit bloßem Auge kaum ermesslich waren. 

Gewaltige Blitze aus leuchtender, reiner Energie spalteten das Bild immer wieder und kündeten von den enormen Kräften die dort herrschten. 

Doch all das sah Pierre DeBries nicht. 

Auch nicht den vernarbten Berg, welcher sich langsam aber stetig an der Öffnung zur Unendlichkeit vorbei schob. 

Pierres Welt, sein gesamtes Universum, war nur die kleine Anzeige in seinem Helmdisplay, welche langsam, quälend langsam, nach unten zählte. Manchmal hatte er das Gefühl, dass diese Anzeige, diese kleine Ansam-mlung von manipulierbaren Nano-LEDs die Macht hatten Raum und Zeit zur verzerren oder zusammen-schmelzen zu lassen. 

Doch dieser Eindruck war Unsinn. Die Zeit verlief völlig 

normal. Es war sein Verstand, der, angetrieben von der 

Macht der Ungeduld, mit unsäglicher Geschwindigkeit 

voranraste, seine relativistische Masse vergrößerte und alles um ihn herum verlangsamte. Denn nun war er gekommen. 

Der große Moment.

Sein großer Moment.

Alles, wofür er gelebt und gearbeitet hatte, kulminierte nun in dem, was vor ihm lag.

„Du wirst es schaffen. Du und kein anderer. Du wirst meinen Platz einnehmen und Geschichte schreiben. Für dich! Für mich! Beweise ihnen, dass du der Größte bist!"

Die Worte waberten wie undurchsichtige Schleier durch seinen Geist und erstickten alle anderen Gedanken. Niemand hatte dies jemals wirklich zu ihm gesagt. Doch wenn Lars Van de Guard noch leben, wenn dessen Körper nicht in dem Meer aus umherwimmelnden Gesteinsbrocken vor Pierre herumtreiben oder zer-quetscht auf irgendeinem von ihnen liegen würde, er hätte es wohl nicht anders formuliert. 

Dem war Pierre sich sicher.

Er verdrängte die aufkommenden Erinnerungen an seinen alten Freund und Mentor und dem, was ihm zugestoßen war. 

Dieser hatte sein Leben als der größte Graviton-Läufer aller Zeiten verbracht und war auch so gestorben. 

Ein guter Tod wie er fand. 

Und ein lehrreicher. 

Pierre hatte alle aufgezeichneten Manöver von Lars genau

analysiert. Jeden Erfolg und jeden Fehler. Und er war sich sicher, ihm würde es gelingen. 

Es musste einfach. 

Denn was gab es sonst noch zu erreichen?

Er hatte jede Meisterschaft in jedem System gewonnen. Er hatte alle Asteoriden-Felder vom Kern des Netzes bis hin zu den äußeren Strengen überwunden. Es gab nichts mehr, so wie es nichts mehr für Lars gegeben hatte. 

Bis auf Exion 5.

Der Gasplanet, dieses vom Rest der Zivilisation weit entfernten Systems, war eine Besonderheit für jeden Läufer. 

Nicht, weil er so schön war. Nicht, weil er so beeindruckend wirkte. 

Nein.

Das Besondere an Exion 5 waren seine 5 Ringe, welche ihn in einem fast exakt gleichen Abstand umrundeten und sich an jeweils zwei gegenüberstehenden Punkten kreuzten. 

Die Knoten.

Sie waren ein Ort, wo die Massen der Gesteinsbrocken fast ungehindert aufeinanderprallten. 

Ein Nimbus unendlicher Zerstörung. 

Undurchquerbar.

So hieß es jedenfalls. 

Und dennoch hatte Pierre den ersten Knoten überwunden, genau wie Lars, so das nur noch sein Zwilling blieb und die Herausforderung, das Unmögliche zu schaffen.

Und er wollte es. 

Er wollte es so sehr. 

„Tu es nicht. Bitte", hatte Anna gesagt. 

„Du hast den ersten Knoten geschlagen. Ist das nicht genug?", hatte sie regelrecht gefleht. 

Nein, war es nicht! 

Sie wusste, dass das Springen durch die Felder Pierre am Leben hielt. Das dieser Sport die Essenz seines Seiens war. Das, was ihn aus den Dyromit-Mienen herausgeholt hatte. Das was ihm den Funken des richtigen Lebens einhauchte. 

Sie wusste es und hatte es dennoch nie verstanden.

Pierre, war ihr deswegen nicht böse. Wie konnte sie es auch verstehen? Wie konnte sie die Aufregung, den Nervenkitzel des Überlebenskampfes nur begreifen, wenn ihr schon beim Trampolinspringen schlecht wurde.

„Es liegt weit Größeres vor dir, als das. Versteh das endlich!"

Es waren die letzten Worte, die seine geliebte Frau sagte, bevor sich ihre Wege trennten.

Sie hatte nichts verstanden. 

Oder verstand er nicht?

Zweifel keimten in ihm auf und er trieb sie zurück.

Erneut veränderte sich die Zahl auf seinem Helmdisplay. 

Nur noch ein paar Augenblicke. 

Pierre kontrollierte seine Ausrüstung. Ließ noch einmal alle Diagnoseprogramme durchlaufen und fuhr den Graviton-Emitter langsam hoch. 

Für Zweifel war es zu spät. 

Zum Umkehren war es zu spät. 

Nur der Knoten zählte.

Dann schloss er die Augen...

 

Wie? Was? Schon zu Ende? Nein! Doch bitte lesen sie unten weiter:


Diese und alle weiteren Kurzgeschichten können Sie als Sammelband bei Amazon sowie Apple Books als E-Book oder Paperback erwerben. Kostenfrei bleiben natürlich weiterhin die Podcast-Versionen oder jene auf WattPad.

 

Ich bedanke mich im Vorfeld bei allen Leser*innen für ihre kleine Spende an einen unverbesserlichen Träumer und hoffe Sie hatten oder besser haben Spaß mit meinen Geschichten.

 

Amazon - Link (E-Book: 0,89 € / Paperback: 4,99€)

 

Apple Books - Link (E-Book: 0,89 €)

 

WattPad - Link


Hörbuch / Podcast

Anscheinend dauert es bei manchen mobilen Browsern, bis die Datei zum direkten Abspielen geladen ist. Das bitte ich zu entschuldigen. Sie finden die Hörbücher als Podcast jedoch bei fast jedem Podcast-Anbieter unter: Daydreams - der Literatur-Quickie.